Schmieren von Betriebsräten liegt »auf der Hand«

Wusste die IG Metall bei Siemens und VW Bescheid?

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Betriebsräte profitieren von schwarzen Kassen. Zum Ärger der Gewerkschaften. Die Korruptionsfälle bei Siemens und VW treffen DGB und Gewerkschaften schwer. Beide Konzern-Vorstände haben offensichtlich mächtige Betriebsräte begünstigt, beglückt oder bestochen - und keiner hat's gemerkt?

Lustreisen, flotte Flüge und verdeckte Deals aller Art - im VW-Skandal wird 2006 eine Beschuldigung nach der anderen erhoben. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten wird Europas größter Autobauer von einer schweren Krise erschüttert. Erschüttert werden zugleich die Gewerkschaft IG Metall und ihre Belegschaftsvertreter. Der Chef des VW-Gesamtbetriebsrats, Klaus Volkert, tritt im Juni offiziell aus Altersgründen zurück. Der 62-Jährige soll jedoch in die Bestechungsaffäre um Peter Hartz verwickelt sein. Später räumt der Betriebsrat ein, der Rückzug sei wegen der Schmiergeldaffäre vorgezogen worden. Dem langjährigen Be-triebsratsboss werden aufwendige Reisen einer Freundin vorgeworfen. Der Prozess steht noch aus. In der VW-Region hält man sich heute lieber bedeckt. Der für VW zuständige IG Metall Bezirk Niedersachsen und Sachsen-Anhalt hat nichts gemerkt. Sprecher Uwe Stoffregen spricht »allenfalls von einem Einzelfall«. Ansonsten gelte für Volkert die Unschuldsvermutung. Dass die offensichtliche Korruption bei VW von der IG Metall weiterhin übersehen wird, passt ins Bild, warum solche Fälle weiter verbreitet sein dürften, als den Ge-werkschaften lieb sein kann. Viele im Kern konservative Betriebsfürsten fühlen sich im Alltag »ihrem« Chef und »ihrer« Firma weit mehr verpflichtet als dem betriebsfremden und im Zweifel linken Gewerkschaftssekretär. Großzügigerweise fehlt in den meisten Betriebsräten ein nennenswertes »Controlling«. Vom Kungeln zur Korruption sind die Übergänge fließend. Gekungelt wurde auch bei Siemens. Offenkundig hat sich ein Weltkonzern eine Gruppe willfähriger Betriebsräte als »Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger« (AUB) unter dem Soziologen-Sohn Schelsky herangezogen. Der Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Peters, stellte Strafanzeige gegen Siemens. Das Betriebsverfassungsgesetz verbietet in Paragraf 119 sowohl die Behinderung als auch die Begünstigung von Betriebsräten. Auch im Fall Siemens will die IGM nicht so recht raus mit der Sprache. Inoffiziell ist aber klar, die IG Metall habe sehr wohl gemerkt, was gespielt wird und hat AUB im Aufsichtsrat angeprangert. Dort soll der Korruptionsfall vom kapitalseitigen Aufsichtsratsvorsitzenden abgewürgt worden sein. AUB ist nach eigenen Angaben unter anderem bei Aldi, Ikea und Lufthansa vertreten. Gewerkschaften ahnen wohl meistens, wenn Räte aus dem Ruder laufen. Aber sie können sich gegen erfolgreiche und machtvolle Ratsfürsten kaum durchsetzen und sie zur Transparenz zwingen. Betriebsratsschmiere ist wie jede Wirtschaftskriminalität schwer zu beweisen. »Die IGM ist keine Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft, die durchsuchen lassen kann«, sagt ein Gewerkschafter in Süddeutschland, »Schelsky und seine Komplizen im Siemens-Vorstand waren ja auch nicht blöd und haben sich gut abgeschirmt.« Das hatten sich auch Hartz und Volkert, um krumme Dinger bei VW zu drehen. Fünf, vielleicht sechs Personen soll dieser Kreis klein gewesen sein. »Alles top secret«, so ein Kenner, von einem »Geheimbund« um Volkert ist die Rede. Bei zwei Fällen dürfte es bundesweit nicht bleiben. Wirtschafts- kriminalität werde generell praktiziert, warnt Professor Hans See seit langem, und die Kriminalistin Britta Bannenberg hat beobachtet, dass die »Branche Korruption« rasant wächst. Schmieren und Schmierenlassen sei in Wirtschaft und Verwaltung so normal wie die »tägliche Fahrt mit dem Auto«. Das Schmier...

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